It’s not Lupus!, oder: Schmerzgedächtnis.

Unser Nervensystem, inklusive Gehirn, ist toll. Es erkennt Gesichter, merkt sich (meistens) die Namen dazu, lernt, träumt und macht viele weitere Sachen, ohne die das Leben recht unangenehm wäre. Anders ist das beim Schmerzgedächtnis, da ist es genau anders rum.

Eigentlich ist der Mechanismus des Schmerzgedächtnisses sinnvoll: Eine aktuelle Schmerzsituation wird mit früheren Schmerzerfahrungen verglichen, dann angemessen darauf reagiert. Indem man zum Beispiel eine Gelenk schont, ganz automatisch. Toll!

Dummerweise sind die dazu befugten Nervenzellen, meist im Rückenmark, genau so lernfähig wie das menschliche Großhirn. Kommen immer wieder Schmerzimpulse an, oder über eine längere Zeit, reagieren die betroffenen Zellen mit dem Ausbilden zusätzlicher Rezeptoren. Sie werden also empfindlicher, reagieren flotter – im schlimmsten Fall muss nicht einmal ein echter Schmerzreiz vorliegen. Eine festere Berührung, ein deutlicher Kalt/Warm-Wechsel oder eine abrupte Bewegung können reichen, dass die Nervenzellen Guzi geben. Das Schmerzgefühl tritt häufiger auf als es sinnvoll wäre.

Bisher schlimm genug? Es kommt noch „besser“. Das Nervensystem als Gesamtes bekommt davon natürlich auch was mit. Also aktiviert das Großhirn vermehrt die IE-Gene, die Immunitätseinheit des Körpers. Weil, ist ja offenbar nötig, ne? Das wiederum macht die betroffenen Schmerzrezeptoren noch empfindlicher, kann sie gar kurzschließen: Schmerz ohne Reiz, ohne Entzündung, ohne direkte Ursache. Der Schmerz wird chronisch.

Heftigere Formen der rheumatischen Erkrankungen gelten entsprechend als Autoimmunkrankheiten und werden oft auch mit entsprechenden Mitteln behandelt. Dann kommt schon mal Methotrexat zum Einsatz. Rheuma ist vielleicht nicht Lupus, muss aber gegebenenfalls mit solchen Stoffen aus der Krebs- und Autoimmun-Therapie behandelt werden.

Danke, liebes Schmerzgedächtnis. Nicht.

Ich denke, es ist klar, dass es bei Rheuma Ziel jeder frühzeitigen Behandlung sein sollte: Kein Schmerzgedächtnis ausbilden! Deshalb verteilen die Ärzt_innen auch gerne Analgetika wie Bonbons, wenn man mit einem Gichtschub oder verknorzten Händen vorstellig wird. Die machen das nicht, weil sie von der bösen Pharmamafia geschmiert wären – es geht darum, so früh wie möglich zu intervenieren, damit besagte Nervenzellen sich nicht aufrüsten und sich kein Schmerzgedächtnis entwickelt.

Wenn Euch Mediziner_innen also Schmerzmittel in die Hand drücken und sagen: Erste jetzt sofort, dann vier Tage Dosis x!, dann macht das bitte. Und sagt Euch nicht, wenn der Schmerz nachlässt: Jetzt komme ich auch ohne klar. Werden die Schmerzen länger rausgezögert steigt die Chance, dass sich ein Schmerzgedächtnis bildet. Dann helfen irgendwann nur noch Opiate. Und das wollt Ihr wirklich nicht.

2 Gedanken zu „It’s not Lupus!, oder: Schmerzgedächtnis.

  1. dagmar

    auch wenn ich hypnose sehr kritisch gegenüber stehe, so soll es wohl wirklich möglichkeiten geben, hypnose als heilmethode bei phantomschmerzen erfolgreich einzusetzen. solange es professionell gemacht wird.

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  2. Pingback: Markierungen 06/10/2015 - Snippets

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